Morgens gab es ein leckeres Frühstück bei unseren schwäbischen Freunden. Ich bin bewegt, wie gut wir uns verstanden, obwohl wir uns lange nicht gesehen haben. Die beiden engagieren sich in ihrem Dorf! Klasse.
Die Freundin hat frei und führte uns über Rad- und Wirtschaftswege nach Nordwesten. Aus westlicher Richtung wehte es kräftig. Wir gaben uns Windschatten. Während ich kurbelte, dachte ich an die alten vergangenen Tage. Meine WG im Entringer Gasthaus zur Sonne-abgerissen. Manche Kontakte zu Menschen, die mir mal wichtig waren, gingen nach Umzügen verloren.
Ich roch den süsslichenGeruch der Gerste, die langsam reif wird, betrachtete die Getreidesorten. Wir passierten eine Holzradrennbahn in Öschelbronn, auf der der Vater unserer Freundin in den Fünfzigern Palmares errang. Dann fuhren wir zum Öffele-Pass, dem einzigen seiner Art im Böbinger Land. Auf einem Bänkle nahmen wir Abschied.


Ins Tal der Nagold ging es eine Gravelstrecke bergab. Ein Test für Mensch und Material. Hinter einer Kurve parkte plötzlich ein Auto. Ab Sulzbach fuhren wir auf der Landstraße und konnten ordentlich Tempo aufnehmen. In Calw machten wir eine kleine Pause bei Hermann Hesse und der Nikolaus-Kapelle.

Kurz drauf besichtigten wir die Kloster-Anlage Hirsau. Das berühmte Benediktinerkloster wurde durch die Reformation zwar aufgelöst bzw. in eine Bildungsanstalt verwandelt, zerstört jedoch erst im pfälzischen Erbfolgekrieg durch General Melac. Die Reste des Kreuzganges sind riesig. Er zeigt, welche Bedeutung Hirsau am Ende des MA hatte. Tempi passati.




Das romanische Wandfries am Turm beschäftigte mich. Es zeigt Männer und Tiere. Die Löwen haben etwas archaisches, mein Freund meint ägyptisches.
Die Männer auf den Himmelsrichtungen des Turms stehen für die Lebensalter des Menschen. Der junge Mann blickt mit Hoffnung nach Westen, der mittelalte Mann hat viel Kraft. Beim alten Mann sind ein Rad und ein Kind. Steht das für die Vergänglichkeit? Tempi passati. Warum fällt es heute so vielen diese Endlichkeit in Würde zu tragen?



Sehr schön und einladend war die spätgotische Marienkapelle, die heute eine evangelische Gemeindekirche ist. Pfarrpersonen und Gemeindeverantwortliche haben die Kirche sehr einladend gestaltet. Der Raum lädt zum Nachdenken, Innehalten, Beten ein. Auch mit neuen Akzenten wie der Einladung sich zu versöhnen.




Dann schrubbten wir 25 weitere Kilometer an der Nagold runter. Es blieb schattig und schön. In Pforzheim trennten sich am Bahnhof unsere Wege. Ich fuhr mit dem Zug nach KA und Landau. Mein Freund bestieg einen anderen Regionalzug. Radfahren mit Freunden macht einfach Spaß, tut Körper, Geist, Gemüt und Seele gut. Ich fühle mich erholt obwohl die Muskeln brennen. In KA verpasste ich erst mal meinen Anschlusszug. Dann reiste ich bis Landau. Den Rest pedalierte ich mit eigener Muskelkraft. Zum ersten Mal radelte ich über die neue Radbrücke über die B10. Vorbei an Dammheim-Bornheim-Essingen. Viele Erinnerungen, tempi passati.
Der Wind war stark böig. Mit Rückenwind schaffte ich schon mal 40 km, wenn er von vorn kam knapp 22. Gegen Viertel vor vier war ich Zuhause. Heute waren es 101 km auf dem Rad in viereinhalb Stunden und 630 Höhenmeter.
Insgesam bewältigte ich knapp 263 km und 2000 Höhenmeter und meistens Gegenwind. Drei schöne Tage zwischen Pfalz und Pfäffingen.
