Heide, Hundertwasser, Backsteingotik – von Hildesheim bis Uelzen

Meine Königsetappe beginnt mit einer Verspätung. Ich suche einen Briefkasten, um drei Karten abzuschicken. Der Anfang ist holprig, weil der Radweg über breite Bürgersteige führt. Klar, sicherer als auf der Straße, aber wenn es schlecht rollt, macht es keinen Spaß. Es geht Richtung Norden, leichter Wind kommt aus dem Westen. Nach 10 km fahre ich auf einer Betonpiste, ich fühle mich gut und erhöhe meinen Schnitt. Vor Celle geht es durch ein Waldgebiet, mein Schnitt liegt bei über 25 km.

Celle hat eine gut erhaltene Innenstadt, weil sie im Krieg nicht zerstört wurde. Viele Fachwerkhäuser haben Gesangbuchverse, Bibelworte und christliche Sinnsprüche auf die Balken gemalt. In der Stadtkirche gibt es nicht nur eine Fürstengruft mit Renaissance- und Barock-Epitaphen. Die Emporenmalerei zu dem AT und NT erinnert an die Dreifaltigkeitskirche in Speyer, allerdings früher (1695).

Nach einer Pause mit Kaffee und süßem Teil verlasse ich Celle über eine Radstraße. Radinfrastruktur ist gut ausgebaut! Nun geht es weiter durch die Südheide und den Naturpark. Der Radweg verläuft ab Eschede direkt neben der Bundesstraße. 30 km sind wunderbar ausgebaut. Es macht richtig Spaß zu pedalieren. Dabei ist es wellig, aber ich kann oft den Schwung mitnehmen. Merkwürdigerweise ist der tolle Weg kaum befahren. Mir kommen vielleicht 5(!) Radfahrer entgegen, ich überhole 3, fast alle sind E-Bikes.

Als ich 100 km geschafft habe, mache ich eine Pause. Gerade rechtzeitig. Eine Schraube von meiner Satteltasche hat sich durch die Erschütterungen gelöst. Schraube ist noch da und in der Tasche auch die Mutter. Problemlos kann ich es reparieren. 2 Riegel und ein Apfel stärken mich. Nach 113 km komme ich im 25,4er Schnitt in Uelzen an und habe noch kurz Zeit für einen Besuch der Stadtkirche.

Der Zug nach Lüneburg hat ein eigenes Abteil nur für Räder am Anfang des Zugs. Nach 25 Minuten bin ich am Ziel. Ich finde ein preiswertes Hotel, Dusche rasch und ziehe mit dem Rad los, um die Backsteingotik zu studieren. Johannis und Nicolai haben noch offen, dank ehrenamtlicher Frauen und Männer.
In Johannis bewundere ich den Orgelprospekt und einen schönen Flügelaltar. Ich freue mich Gemälde von Luther, Melanchton und Hus(!) zu sehen.

Ich lasse mir Zeit, um die Nicolaikirche zu erreichen. Lüneburg wurde durch den Salzhandel und die Hanse reich und wohlhabend. Die Stadt errichtete drei mächtige Backsteindome. Auch die Häuser der übrigen Stadt atmen den Wohlstand von früher.

In die Nicolai-Kirche kann ich nur noch 10 Minuten. Auch hier fällt der mächtige Turm im Westen auf. In der Kirche gibt es viele Kunstwerke, darunter auch moderne Schreiter Fenster zu Gethsemane und Golgatha. Eigentlich mag ich moderne Kunst, aber in den gotischen Kirchen ziehe ich die Flügelaltäre vor. Dennoch finde ich Schreiter besser als die Glas-Fenster des Historismus oder der Glasfenster aus den 50er Jahren.
Den Abend beschließe ich in einem persischen Restaurant mit einem leckeren vegetarischen Gericht. Neben dem Essen bekomme ich noch eine gruppendynamische Szene der Betreiber des Restaurants geboten. Gekränkter Mann und souveräne Frauen. Interessant.