Morgens hatte sich mein Navi aufgehängt. So was bringt mich ins Schwitzen. Dann fand ich die Resetfunktion und konnte beruhigt das Frühstück einnehmen.
Der Weg aus der Stadt ist immer etwas kompliziert, aber es gibt in der Unistadt gut ausgebaute Radwege und Holperstrecken auf breiten Gehwegen.
Es ging Richtung Norden, meist parallel zur B3. Der Wind kam von der Seite und schob. Als ich am Forellensee vorbeikam, fand ich eine wunderbare kleine einsame Badestelle und sprang in den See.
Kurz vor Bad Gandersheim fing es heftig an zu regnen, ich musste vorsichtig abfahren. Kirche war noch zu, also suchte ich in der Kurstadt ein Café. Dort trank ich Kaffee und aß ein Stück Stachelbeertorte. Da der Fernseher lief, sah ich, wie Popp das 2:0 machte. Könnte Flick nächstes Jahr nicht diese Mittelstürmerin aufstellen?
Übers Kirchenbüro kam ich früher in die romanische Stiftskirche herein und war beeindruckt. Besonders gefiel mir die Hand Gottes aus dem 12.Jahrhundert und ein barocker Epitaph für zwei Äbtissinnen des ev. Damenstiftes. Habt ihr so was schon gesehen? Ein Grabmahl wie eine Theaterbühne! Dazu Inschriften zur Endlichkeit und himmlischen Hoffnung.
Die nächsten 12 km bis Lamspringe fuhr ich auf einer ehemaligen Bahnstrecke. Nabu pflanzte Bäume des Jahres und Künstler/innen stellten Plastiken auf.
Dann ging es weiter Richtung Norden, allerdings kam der Wind nun manchmal von vorne. Es wurde auch nochmals wellig. Ich sammelte fast 500 Höhenmeter. Die letzten Kilometer brachte mich ein Hildesheimer Radler zum Hotel. Wir diskutierten über die Radpolitik vor Ort.
Gegen 14:15 war ich nach 81 km und 3:40 km am Hotel Rathauskapelle. Der Dom zu Hildesheim wurde März 1945 zerstört, wie fast die gesamte Innenstadt. Der Wiederaufbau folgte im Stil der klassischen Moderne, ähnlich wie in meiner Geburtsstadt Zweibrücken. Vor einigen Jahren wurden Renaissancegebäude um das alte Rathaus rekonstruiert. Ich finde es nicht schlecht.
Der romanische Dom, um 900 gebaut, war so zerstört, dass er nach dem Wiederaufbau neu geweiht wurde. Das Beeindruckensde war für mich die romanische Berwardsäule aus Bronze mit Szenen aus dem Leben Jesu. So ein Glück, dass diese Kirchenkunst alle Zeiten überstanden hat, ohne eingeschmolzen zu werden.
Mir fallen die zahlreichen goldenen Reliquiare auf. Insgesamt wirkt der Dom etwas unterkühlt durchgestylt.
Wurzel Jesse
Auch die andere romanische Kirche von Bischof Bernward gegründet, die Michaeliskirche wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut. Ich finde es berührend, dass auch ein Jude aus Hildesheim, der emigrieren musste, den Wiederaufbau unterstützte.
In der Krypta befindet sich der Sarkophag Bernwarts mit 9 Engeln. Selten sind in einer Kirche Seligpreisungen dargestellt, personifiziert von Frauen. Die Holzdecke mit der Wurzel Jesse verdeutlicht die Verwurzelung des Christlichen im Jüdischen.
Auf dem Rückweg regnet es. Ich denke darüber nach, wie der Wiederaufbau die Kirchen verändert hat.