Die dritte Etappe führte uns in den Osten, in die Umgebung des Stockweihers. Es war die längste Etappe, sie wurde jedoch noch länger: dazu später. Die Wetterprognose versprach ordentlich Sonne und Gegenwind. Beides sollte sich bewahrheiten. Also war Windschattenfahren angesagt.
Wir starteten um 8:15. Bei der Ausfahrt aus Toul sahen wir zahlreiche Schulkinder. Die ersten Kilometer radelten wir auf einem fast menschenleeren Radweg, zeitweise durch ein Naturschutzgebiet. Südlich von Nancy leitete uns das Navi auch einige kleinere Departementstraßen. Bald waren wir wieder an einem der vielen Wasserstraßen. Auf gut ausgebauten Radwegen kamen wir trotz Gegenwind flott voran, nur an den Schleusen gab es kleine Anstiege, schalten und die Hand an der Bremse, weil manchmal Straßen querten.
An so einer Stelle nach 30 km sprang Heijos Kette vom kleinen Blatt und verkantete sich. Wir zogen und rüttelten vergebens. Was tun? Ich hielt Ausschau und einen älteren Radrennfahrer an. Die Kette löste verschiedene Reaktionen. Der weiße ältere Mann, namens Bernard, wie wir später erfuhren, war sofort hilfsbereit. Er begutachtete das Malheur, besaß besseres Werkzeug und öffnete die Kette. So bekam er sie wieder mobil. Allerdings passten seine Kettenglieder nicht in die Lücke und den kleinen Stift bekam keiner rein. Er telefonierte. 5 Minuten später tauchte im Auto Louis auf. An seinem Werkzeug und seinem Handeln merkte man den erfahrenen Handwerker. Nach drei Versuchen war die Kette geflickt.
Die beiden französischen Engel meinten, dass Heijo die Kette wechseln müsse. Das nächste Radatelier war beim Decathlon, 4,5 km und zwei Steigungen nördlich. Bernard begleitete uns noch in die Außenbezirke Nancys. Im Laden gab es Leute, die gut Englisch sprachen und ratzfatz war die neue Kette montiert.
Wir wollten nicht den gleichen Weg zurück, sondern etwas abkürzen. Ohne Ortskenntnis ist das auch mit Navi nicht ganz einfach. Während wir den besten Weg beratschlagten, hielt ein Ehepaar an, sprach uns auf Deutsch an und meinte, wir sollten folgen.
Aus einem Malheur kann doch eine gute Erfahrung werden – durch Nöchstenliebe. Ohne das Kettenproblem, hätte es die Kettenreaktion der Nöchstenliebe nicht gegeben. Bernard und Louis schenkten uns Zeit und Mühe, sie scheuten sich nicht, die Hände schmutzig zu machen, um zu helfen. Wie in der Parabel des barmherzigen Samariters wurden die Helfer zum Nächsten, weil Hilfe Menschen zusammen bringt.
Am Kanal mussten wir noch mehr als 72 km bis zur Unterkunft radeln. Meistens lief der Radweg am Rhein-Marne-Kanal. Wir machten Tempo, um etwas Zeit aufzuholen und in ? etwas zu essen.
Leider waren alle Geschäfte geschlossen. Aber bei einem Kanuverein konnten wir die Trinkflaschen auffüllen.
Die nächsten Kilometer spulten wir ab. Es ging immer Richtung Osten, der Radweg ist gut ausgebaut und beschildert. Nur wenige Radler begegneten uns. Manchmal überholten wir Schiffe. Für mich ist es ein Rätsel, was an so einer Bootstour spannend sein soll. Meistens saßen die Männer am Steuer. Die Frauen sonnten sich oder grüßten aus der Küche.
10 Km vor dem Ziel verließen wir den Rhein-Marne-Kanal und trugen die Räder über eine türkisne Stahl-Brücke auf die andere Seite. Der Saar-Kanal leitete uns zum Stockweiher. Ursprünglich ein riesiges Rückhaltebecken, um das Wasserniveau zu halten. Heute ein touristisches Gebiet.
Vom See aus ging es über Land mit einigen Steigungen nach Langatte. In einer Boulangerie gab es wunderbaren Kuchen. Die Stärkung brauchten wir jetzt.
Aus dem Ort führt uns die Straße zu dem Couvent Saint‘ Ulrich. Aus dem Konvent haben kreative Menschen eine bezaubernden Ort gemacht. Wir beziehen unsere Zelle und ich stelle fest, das ist die beste Dusche seit drei Tagen. Die Vögel zwitschern und ich schmecke ein wenig das Paradies. Heute Abend bleiben wir hier und essen wie in alten Zeiten Baguette e fromage.